Saisonauftakt
2005 |
Der letzte Angelausflug des Jahres 2004 liegt
nun doch schon einiges zurück, und die angellose Winterzeit
ist mit circa vier Wochen schon viel zu lang! So ist die Vorfreude
auf eine zweitägige (welch Luxus!) Tour zum Auftakt des neuen
Jahres entsprechend groß. Ziel sollen die Hechte des Kölpin
in Mecklenburg-Vorpommern sein. Im März letzten Jahres war
hier der Saisonauftakt mit einer 120er Hechtdame, die Christian
mit einem kleinen YAD-Wobbler überlisten konnte, fulminant
gelungen.
Ob uns in diesem Jahr, zwei Monate früher,
ein ähnlicher Paukenschlag gelingen würde?
Unterkunft und Boot konnten wir mal wieder zu guten Konditionen
bei Herrn
Ziebarth in Eldenburg organisieren,
und so haben Christian und ich die letzten Tage vor der Abfahrt
noch fieberhaft an unserem Gerät gebastelt und den einen oder
anderen überflüssigen Einkauf – unsere Ködekisten
quellen eh schon lange über – in Angelläden getätigt
...
Am Sonnabend um 6:30 h steht Christian dann in Pankow mit seinem
kleinen Golf bei mir vor der Tür, schon beängstigend umfangreich
mit Angelgerät beladen. Ich habe doch auch noch diverse Taschen
und Gerätekoffer, die mit sollen! Irgendwie klappt’s
dann noch, beladen wie früher unsere anatolischen Mitbürger
auf Heimatfahrt in den Süden, geht’s auf die Autobahn
Richtung Norden. Mit mangelhaftem Erfolg bemühen wir uns nach
Kräften, an den wenigen anderen Autos, sicherlich zur Hälfte
auch mit verschrobenen Zeitgenossen auf dem Weg zu diversen Gewässern
besetzt (wer, außer Angelern und bedauernswerten Lohnabhängigen
liegt um diese Zeit nicht noch im Tiefschlaf?), vorbeizuziehen.
Als Belohnung dieser Mühen kommen wir dann doch bald in Eldenburg
an, wo uns Herr Ziebarth schon gutgelaunt erwartet. Schnell das
Auto ent-, das Boot beladen und uns winterfeste Bekleidung angezogen,
wie immer gibt es ein paar Tipps von Herrn Ziebarth und los geht’s.
Eldenburg ist strategisch ein hervorragender
Ausgangspunkt: je nach Wetterlage kann man sich für die Müritz
oder für den Kölpin entscheiden, die Angelkarten gelten
u. a. für beide Gewässer. Allein diese beiden Gewässer
bilden eine Fläche von 130 qkm, mehr als genug für mehrere
Anglerleben … Für heute reichen uns zunächst die
20 qkm des Kölpin. Hier haben wir in der Vergangenheit sehr
viele Hechte gefangen, wenn auch die Durchschnittsgröße
sich meist in Grenzen gehalten hat. Typisch für den Kölpin
sind die Unmengen kleiner Schnapper bis 65 cm. Egal – nach
der langen Winterpause lechszen wir zunächst nach einem Erfolgserlebnis
… Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass sich die Fangergebnisse
im Kölpin und in der Müritz umgekehrt zueinander verhalten:
Masse zu Klasse. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel,
s. o.!
Nach zehnminütiger Fahrt durch den Reeck-Kanal
öffnet sich der Kölpin in imposanter Größe
vor uns. Im Vergleich zur Müritz zwar klein, bietet sich hier
noch immer so viel Fläche, dass man ortsunkundig einen schweren
Stand hier hat. Wir kennen den See größtenteils schon
ganz gut, außerdem hift uns ein gutes Echolot bei der Standplatzsuche.
Bei schwachem Wind und bedecktem Himmel hat das Wasser nur eine
Temperatur von 3,5 °C, die Luft ist kaum wärmer. Wir suchen
zunächst die tieferen Stellen ab 8 m auf und machen uns zuversichtlich
mit Wobblern, Jerks und Gummifischen an die "Arbeit".
Um es kurz zu machen: trotz gewaltiger Einzelechos auf dem Lot über
14 m Tiefe im nordwestlichen Teil des Sees, bleibt dieser erste
Tag recht erfolglos – lediglich zwei 50er Schniepel können
wir mit dem 22er Zam und dem Big Fat Flipper überlisten. Irgendwann
auf der Fahrt zwischen zwei Standplätzen sehe ich dank meiner
Polbrille ein Rudel Dickbarsche und einen kleineren Hecht im Flachwasser.
Was machen die hier, ist das Wasser nicht zu kalt?!? Lehrbuchmäßig
verhalten sich die Räuber heute aber nicht … Ein Zwischenstopp,
der den Barschen gilt, bleibt leider ebenso erfolglos wie unsere
restlichen Bemühungen, einen Großhecht zu fangen. Also
beschließen wir noch einen Versuch auf der Müritz zu
machen, noch im Dezember haben sich die Futterfischschwärme
im Hals gestapelt. im Schlepptau waren auch einige größere
Hechte, die wir dort überlisten konnten. Aber diesmal ist im
Hals alles wie leergefegt, keine Schwärme, kein Hecht. Wie
schnell sich die Bedingungen hier ändern können!
Einigermaßen müde und ernüchtert beenden wir den
Angeltag. Schließlich ist morgen ein neuer Tag: neue Chance!
Wir verbringen den Abend mit sozio-kulturellem Beobachten der örtlichen
Jugend im Gourmettempel Warens, einem nüchternen, mit einem
großen, goldenen ‚M’ geschmückten Profanbau.
Danach noch ein Bierchen als Schlummertrank und schon sind wir weg.
Noch im Dunklen werden wir am folgenden Tag vom Wecker hochgescheucht.
Mit der Aussicht auf einen neuen, bestimmt erfolgreicheren Angeltag
fällt das Aufstehen überhaupt nicht schwer! Nach einem
schnellen Kaffee und der noch schnelleren Katzenwäsche sind
wir in der Dämmerung des heranbrechenden Tages schon in Richtung
Kölpin unterwegs. Promt werden wir mit einem wunderschönen
Sonnenaufgang am wolkenlosen Himmel belohnt. Kein Lüftchen
regt sich, der See ist spiegelblank. Der Bootsboden leider auch,
denn in der Nacht hat es ganz ordentlich gefroren.
Im nord-westlichen Teil des Sees, dort wo wir
gestern richtig große Sicheln in 10–12 m auf dem Echolot
hatten, soll es heute gezielt losgehen, und so fahren wir die Stelle
ohne Umwege an. Die nächsten Stunden verbringen wir hier, immerhin
vergreifen sich vier kleinere Hechte zwischen 50 und 60 cm an unseren
tieflaufenden Wobblern (Fox Delver und Little Ernie) und den 23-cm-Gummishads.
Ganz nett, aber nicht die erhofften Großhechte!
Irgendwann wechsel ich meinen Köder und
hänge mal wieder den sinkenden 22-cm-Zam ins Vorfach. Nach
dem Auswurf gehörig warten, damit der Wobbler Tiefe gewinnt
und dann langsam mit leichten Schlägen aus dem Handgelenk ganz
langsam eingeholt, vielleicht klappt das ja. Zwischendurch sehen
wir immer wieder große Echos, hier muss doch was gehen! Und
dann kommt er urplötzlich und wie aus dem Nichts: der ultimative,
knallharte Angriff auf den Wobbler! Es haut mir fast die Rute aus
der Hand, und sofort spüre ich, dass er da ist, am anderen
Ende der Schnur, der Großhecht. Das ist wirklich ein außergewöhnlich
großer, die Rozemeijer Cast’n’Troll wird zwei,
drei Mal brutal bis ins Handteil heruntergerissen und dann –
ja dann ist Schluss, nichts mehr! Gar nichts mehr! Schlaffe Schnur!
Ich fluche in Worten, die mir im Nachhinein die Schamesröte
ins Gesicht schießen lässt, nur helfen tut das nun auch
nicht mehr. Christians wohlgemeinte Aufmunterungsversuche "der
beisst noch mal" prallen ohne besänftigende Wirkung an
mir ab, vermutlich glaubt er selbst auch nicht daran.
Inzwischen steigt die Sonne höher, die "gefühlte"
und wohl auch die tatsächliche Temperatur steigt etwas: ein
wunderschöner Wintertag. Nur die Hechte wollen hier im Tiefen
nicht mehr. Wir wechseln die Stelle und versuchen unser Glück
im Flachwasser, dort wo wir gestern ein paar Räuber gesehen
haben. Zunächst tut sich auch hier nichts, aber als Christian
seinen Wobbler in einem Affenzahn einkurbelt, weil er Kraut gefangen
hat, sehen wir einen Hecht, der den Wobbler verfolgt, dann aber
wieder abdreht. Kein großer, aber immerhin. Und wieder staunen
wir, bei nur 3°C Wassertemperatur halten sich offenbar Hechte
im Flachwasser auf und verfolgen auch noch schnell geführte
Köder! Eine Technik, die im Sommer immer mal einen Versuch
wert ist – in den USA wird diese Köderführung "burning"
genannt. Aber im Winter?!? Wir probieren es weiter im Flachen und
"burnen" unsere Köder. Christain versucht es weiterhin
mit seinem kleinen Wobbler, ich probiere es mit einer 18-cm-Perlmuttspange
von H-M
Angelprofi. Nach dem dritten oder
vierten Auswurf stürzt sich kurz vorm Boot ein Hecht mit Getöse
auf den Blinker – hängt! Wer einen Hechtangriff an der
Wasseroberfläche erlebt, vergisst dieses Erlebnis nie mehr
... Trotz der niedrigen Wassertemperatur steckt noch jede Menge
Energie in dem Fisch, den ich zurückhaltend auf 65 cm schätze.
Nach der vorsichtigen Handlandung (3 °C sind ganz schön
kalt!!) zeigt sich, dass ich mich zu Ungunsten des Hechts verschätzt
habe: gute 80 cm! Nicht schlecht, aber der soll noch wachsen ...
Christian freut sich mit mir, auch wenn seine
Miene eine andere Sprache spricht. Aber es ist mitnichten der Neid,
sondern die Kälte, die nach Stunden inzwischen sein Antlitz
etwas verkniffen wirken lässt. Frisch angefixt beenden unser
erstes Angelwochenende des Jahres. Diesmal zwar ohne den ganz Großen
gefangen zu haben, aber wir kommen wieder ...
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